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Central Asien Länder

Zwischen staatlicher Kontrolle und Liberalisierung.

Baumwollanbau in Usbekistan und Kasachstan im Vergleich1 Von Anastasiya Shtaltovna und Anna-Katharina Hornidge, Bonn Zusammenfassung Seit der Auflösung der Sowjetunion haben Kasachstan und Usbekistan unterschiedliche Entwicklungspfade im Bereich des Baumwollanbaus eingeschlagen. Während die Baumwollproduktion in Usbekistan weiterhin die Quelle eines beträchtlichen Teils der exportbasierten Staatseinnahmen bildet, ist sie in Kasachstan – einem Land mit einer stärker auf die Ausbeutung seiner Öl- und Gasvorkommen ausgerichteten Wirtschaft – nicht von strategischer Bedeutung. Entsprechend schenken die Regierungen beider Länder der Baumwollproduktion ganz unterschiedliche Aufmerksamkeit. Die beiden Staaten differieren auch in Bezug auf marktwirtschaftliche Reformen: In Usbekistan ist die Regierungskontrolle über den Baumwollsektor weiterhin sehr ausgeprägt, während sich in Kasachstan eine allmähliche Lockerung der Kontrolle vonseiten des Staates vollzogen hat. Der Vergleich beider Staaten führt die Autoren zu einer Reihe von Empfehlungen zur Optimierung des Baumwollsektors Usbekistans, vor allem weniger Einmischung des Staates, Erhö- hung des Ankaufpreises für Baumwolle, eine Vereinfachung des Steuersystems und Kapazitätsaufbau unter den landwirtschaftlichen Produzenten. Der Anbau des »Weißen Goldes« … Zwar wurde Baumwolle in Zentralasien schon seit dem 5. und 6. Jh. n. Chr. angebaut, die Produktion in grö- ßerem Stil begann aber erst Mitte des 19. Jhs., nachdem das zaristische Russland auf ihr Potential aufmerksam geworden war und mit dem Ausbau der Bewässerungssysteme begann. Zu jener Zeit wurden weltweit 80% der Baumwolle in den USA erzeugt. 1863 war der Preis für Baumwolle als Folge des Bürgerkriegs in den Vereinigten Staaten um das Vierfache gestiegen und schuf so einen Anreiz für Russland, die Bewässerungssysteme in Zentralasien auszubauen. Diese Bewässerungssysteme erlaubten es Russland, Zentralasien als Baumwolllieferant zu etablieren, die russische Textilindustrie gewann so an Unabhängigkeit. In den 1920er Jahren initiierte die sowjetische Führung in Moskau zunächst in Südkasachstan und kurz danach in allen Baumwollanbaugebieten Zentralasiens die rasche Ausweitung der Bewässerungsinfrastruktur. In der sowjetischen Periode kam es (allerdings mit verheerenden ökologischen und sozialen Folgen) zu großen Fortschritten in der Baumwollerzeugung und Bewässerungslandwirtschaft, einschließ- lich der Entwicklung zahlreicher neuer Baumwollsorten, der Erschließung neuer Anbaugebiete sowie der Mechanisierung der Baumwollernte.1 1 Dieser Beitrag ist die Zusammenfassung einer vergleichenden Untersuchung der Baumwollproduktion in Kasachstan und Usbekistan, die vom Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn gemeinsam mit der Open Society Foundation durchgeführt wurde. Die vollständige Studie – einschließ- lich einer Kosten-Nutzen-Analyse zur Baumwollerzeugung in beiden Ländern – kann abgerufen werden unter: Nach der Auflösung der Sowjetunion erbten Kasachstan und Usbekistan alle Bestandteile dieses Systems, einschließlich der Bewässerungsinfrastruktur, der Institute für die Züchtung von Baumwollsaaten, Forschung und Entwicklung betreibender Kolchosen (russ. für »große Kolchosen«) und Maschinenparks sowie auch einen Großteil der Expertise über die Erzeugung von Baumwolle. Beide Staaten hatten damit eine starke Ausgangsposition für die Weiterführung der Baumwollproduktion, standen aber wegen der dringend notwendigen Instandhaltung der Infrastruktur, auf der das System der Baumwollerzeugung beruht, auch vor gro- ßen Herausforderungen. Trotz dieser Schwierigkeiten ist Zentralasien weiterhin eine der weltweit bedeutendsten baumwollproduzierenden und -exportierenden Regionen. Weitere sind China, Indien und die USA sowie das französischsprachige Afrika. Zu den Problemen, die sich Usbekistan und Kasachstan in dem Bemühen ihre Weltmarktstellung zu halten stellen, gehören überholte und veraltete Bewässerungs- und Drainageanlagen, die Verschlechterung der Bodenqualität und auch ein zunehmender Mangel an notwendigem Fachwissen (aufgrund von Abwanderung und ungenügenden Investitionen in Kapazitätsaufbau und berufliche Weiterbildung), der die Produktion hemmt. Kompetenzen und Fähigkeiten, die »halbprivate« Bauern heute aufweisen müssen, unterscheiden sich stark von dem, was im früheren System der Kollektivwirtschaften gefordert wurde. Dies führt beispielsweise zu unzureichender Verarbeitung der Erzeugnisse oder auch mangelhafter Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte. In Usbekistan schränkt außerdem das erdrückende administrative Kommando- ZENTRALASIEN-ANALYSEN NR. 86, 06.03.2015 3 system mit seinen institutionellen Schwächen auf allen Ebenen der Staatsbürokratie die Entscheidungsmöglichkeiten der »halbprivaten« Bauern beträchtlich ein und macht beispielsweise langfristige Investitionen unwahrscheinlich (Grund und Boden könnten plötzlich wieder an den Staat fallen). Nach Einschätzung der OECD bleibt der Mangel an verfügbarem Wasser (in Usbekistan aus dem Amu Darja und Syr Darja, in Kasachstan aus dem Syr Darja) das größte Problem für den Baumwollanbau in allen zentralasiatischen Republiken. Da Baumwollkulturen überall auf der Welt bewässert werden müssen, ist die Erhaltung der Bewässerungs- und Drainagesysteme entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit. Die finanziellen Mittel, die von beiden Regierungen für diese Zwecke bereitgestellt werden, sind aber chronisch unzureichend. Der – auf Verteilungskonflikten beruhende – Wassermangel trägt immer wieder zu politischen Spannungen zwischen den Staaten der Region bei (zu den Beispielen gehören der Bau des Rogun-Staudamms in Tadschikistan oder der Dostyk-Kanal in Kasachstan). … und die Abhängigkeiten, die sie schafft Trotz ihrer gemeinsamen Geschichte und ähnlicher Herausforderungen im Bereich Baumwollanbau unterscheiden sich die Baumwollsektoren Kasachstans und Usbekistans wesentlich. Der Hauptunterschied liegt in der Bedeutung der Baumwollproduktion im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft. Baumwolle nimmt ungefähr die Hälfte der Ackerfläche Usbekistans ein und ist das wichtigste Exportprodukt, das nach Schätzungen der Weltbank mit 18% zum BIP beiträgt. Usbekistan ist einer der größten Baumwollexporteure der Welt, sein Anteil an den weltweiten Exporten beträgt 11% und hat damit unmittelbare strategische Bedeutung für seine Volkswirtschaft. Im Jahre 2010 gab es nach Angaben des usbekischen Ministeriums für Landwirtschaft und Wasserressourcen ca. 80.000 Bauern, die 5,3 Mio. ha Ackerfläche bewirtschafteten, ungefähr die Hälfte von ihnen (41.745) bauten auf 3,8 Mio. ha Baumwolle und Weizen im Rahmen des staatlichen Beschaffungssystems an (Staatsplan für Baumwoll- und Weizenproduktion). Kasachstan dagegen profitiert von lukrativeren Wirtschaftszweigen, vor allem der Förderung von Öl und Gas. Baumwolle wird nur auf 140.000 ha Land in fünf Bezirken des Gebietes Südkasachstan angebaut. Baumwollproduktion ist also nur von regionaler, und nicht wie in Usbekistan von strategischer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Es überrascht daher nicht, dass in den beiden Ländern der Frage der Baumwollerzeugung von staatlicher Seite ganz unterschiedliche Aufmerksamkeit geschenkt wird. Unterschiede Wenn man die beiden Systeme der Baumwollproduktion genauer analysiert, so liegen die Hauptunterschiede in der Einmischung des Staates, den Bodenrechten, der Bereitstellung landwirtschaftlicher Dienstleistungen sowie dem Zugang zu Bargeld, Arbeitskräften und zu Entkörnungsanlagen, wie im Folgenden näher erläutert wird. Einmischung von Seiten des Staates Seit der Unabhängigkeit im Jahre 1991 hat die Landwirtschaft Usbekistans einen partiellen Übergang von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft vollzogen, mit auffälliger Ausnahme der Baumwoll- und Weizenerzeugung. Hier dominieren Ackerkulturen mit flächen- und produktionsbezogenen Ertragsquoten, die vom Staat in Auftrag gegeben werden und die Bauern gemäß Produktionsvertrag verpflichten, zu Festpreisen zu verkaufen. Landwirtschaftliche Normen und Standards genügen zwar meistens, um Anbaustrukturen und landwirtschaftliche Praktiken zu regulieren, aber die Normerfüllung wird auch überwacht und durchgesetzt. Folglich ist die zentralisierte staatliche Autorität weiterhin dominant; dies führt dazu, dass die Bauern gezwungen sind, den staatlichen Plan umzusetzen, ohne dabei viel an Dynamik und unternehmerischem Denken zu investieren, die zu einer Weiterentwicklung des Systems auf Basis lokaler Gegebenheiten führen würden. Stattdessen werden die landwirtschaftlichen Produzenten, so scheint es, unter den Bedingungen des Staatsplans in einer Situation der Abhängigkeit gehalten, in der sie weder an der Planung der Agrarproduktion beteiligt sind noch deren Gewinne einstreichen können, sondern lediglich den Produktionsprozess als solchen umsetzen. Im Gegensatz dazu ist in Kasachstan der Übergang von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft in breiterem Umfang durchgeführt worden und der Einfluss des Staates auf den Agrarbereich ist in den letzten 20 Jahren auf ein Minimum gesunken. Das Recht der Bodennutzung, der Entscheidung über den landwirtschaftlichen Produktionsprozess sowie über die sich an die Ernte anschließende Weiterverarbeitung und Vermarktung der Erzeugnisse liegt nun in erster Linie bei den Bauern selbst. Dies hat zu dezentralisierten Ansätzen in Produktion und Absatzpolitik geführt. Landbesitz Bauern in Usbekistan erhalten Land, um landwirtschaftliche Erzeugnisse im Rahmen des staatlichen Ankaufsystems, das auf Baumwolle und Weizen beschränkt ist, anzubauen. Es kann für einen Zeitraum von bis zu 50 Jahren gepachtet werden, aber der Pachtbesitz ist nicht gesichert, denn die Ländereien können von der Regie- ZENTRALASIEN-ANALYSEN NR. 86, 06.03.2015 4 rung wieder eingezogen werden, wie es z. B. während der Flächenkonsolidierung zwischen 2009 – 2011 der Fall war. Es gibt im Rahmen dieses Systems drei Typen von landwirtschaftlichen Produktionsformen: Neben dem staatlich reglementierten System für die Produktion von Baumwolle existieren kommerzielle Produktion, die Reisanbau, Gartenbau und, allerdings in geringerem Maße, Viehfutterproduktion und Viehwirtschaft umfasst, sowie landwirtschaftliche Kleinstbetriebe im Sinne von Haushalts- bzw. Subsistenzproduktion (sog. Dechkan-Höfe). Im Unterschied dazu basiert die Baumwollerzeugung in Kasachstan auf privat organisierter Produktion für den Markt. Land wird im Rahmen sicherer, langfristiger Kontrakte für 50 Jahre verpachtet, somit kann die Regierung weniger Kontrolle als in Usbekistan aus- üben. Die Parzellen für den Baumwollanbau betragen ca. 15 ha, verglichen mit 50 ha in Usbekistan. Bereitstellung von landwirtschaftlichen Dienstleistungen und Infrastruktur In Usbekistan sind die großen landwirtschaftlichen Dienstleister (also Traktorenparks, Düngemittelfabriken, Treibstoffanbieter) halbstaatliche oder staatliche Organisationen, die sich im Grunde wenig von ihren sowjetischen Vorläufern unterscheiden. Trotz Umstrukturierungen nach der Unabhängigkeit, sind die Leistungen der agrarischen Serviceorganisationen unzureichend und viele von ihnen stehen kurz vor dem Bankrott. Die Ursache liegt in der Verringerung der staatlichen Unterstützung nach dem Ende der Sowjetunion, die dazu führte, dass verschuldete Bauern für diese Dienstleistungen nicht bezahlen können, in der unzulänglichen Versorgung mit Inputs für die landwirtschaftliche Produktion und in dem Unvermögen, Anlagen, wie z. B. landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, zu erneuern. Weitere Gründe sind die unzureichende Entwicklung der Marktinfrastruktur in ländlichen Gebieten, schlechtes Management in den landwirtschaftlichen Serviceeinrichtungen, mangelnder Zugang zu ausreichenden Kreditmöglichkeiten sowie das Fehlen von Kompetenz und Wissen, wie man in einem sich wandelnden und zunehmend marktorientierten Umfeld handeln muss. Außerdem fungieren diese ländlichen Serviceorganisationen eher als Kontrollinstanzen (und werden vor Ort auch so wahrgenommen), denn als Serviceanbieter. Es existieren nur wenige private und marktorientierte Anbieter von Dienstleistungen (z. B. Genlabore). Die größte Herausforderung besteht darin, dass die wichtigsten agrarischen Dienstleistungsunternehmen weiterhin eine Monopolstellung für Inputs in die landwirtschaftliche Erzeugung gegenüber jenen Bauern ausüben, die keinen Zugang zu Krediten und damit keine Möglichkeit haben, unabhängig darüber zu entscheiden, welche Produkte sie wo kaufen wollen. In Kasachstan können Landwirte dagegen landwirtschaftliche Produktionsmittel und Dienste für die Baumwollerzeugung von privaten agrarischen Dienstleistern oder im freien Markt erwerben. Zugang zu Krediten und Produktionsgewinnen Kasachstanische Baumwollbauern haben Zugang zu verschiedenen Kreditprogrammen, die von Geschäftsbanken angeboten werden, und auch zu den Gewinnen, die ihre Arbeit abwirft. Ihre Lage unterscheidet sich ganz wesentlich von der Situation usbekischer Baumwollbauern, denen Anleihen nur für zuvor festgelegte Zwecke genehmigt werden, also zum Kauf von Saatgut, Düngemitteln, für die Bezahlung der Arbeitskräfte etc. Sobald die entsprechenden Produktionsmittel bereitgestellt wurden, wird der Kredit vom Bankkonto des Bauern abgebucht, ohne dass er Zugang zu seinem Konto hätte und entscheiden könnte, wie und wo er sein Geld einsetzen möchte. Sobald die geerntete Baumwolle verkauft ist (was oft Monate dauert), wird der staatliche Ankaufpreis auf die Konten der Bauern überwiesen, die damit alle Schulden bezahlen sollen, die sich im vorangegangenen Produktionszyklus angehäuft haben. Häufig reicht diese Summe dafür jedoch nicht aus. Folglich hat der landwirtschaftliche Erzeuger kaum Zugang zu Kapital und zum Produktionsgewinn, den er mit seiner Arbeit erzielt hat und ist also kaum in der Lage, in das landwirtschaftliche Unternehmen zu investieren. Arbeitskräfte für die Baumwollernte In Usbekistan werden Arbeitskräfte für die Baumwollernte rekrutiert, indem die gesamte Gesellschaft während der Erntesaison mobilisiert wird. Dies geschieht eher durch Zwangsmittel als durch ökonomische Anreize. In Kasachstan dagegen funktioniert die Baumwollernte unter Bedingungen marktmäßiger Lohnarbeit und steht Wanderarbeitern aus anderen Gebieten des Landes, aber auch anderen Staaten, offen. Die Entlohnung für handgepflückte Baumwolle ist in Kasachstan höher als in Usbekistan; dies zieht viele Arbeitsmigranten an, insbesondere aus Usbekistan und Tadschikistan. Der Baumwollentkörnungssektor In Kasachstan sind 22 Baumwollentkörnungsanlagen zur Aufbereitung der Baumwolle in Betrieb, was den Erzeugern einen gewissen Spielraum bei Preisverhandlungen gibt, in Usbekistan dagegen hat ein einziges staatliches Baumwollunternehmen (»Uspachtasanoat« – Usbekische Baumwollindustrie) das Monopol in diesem Bereich. Es kauft die gesamte Baumwollernte zu einem festen Preis an, damit haben usbekische Bauern weder Spielraum für ZENTRALASIEN-ANALYSEN NR. 86, 06.03.2015 5 Preisverhandlungen noch eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Verkaufs ihrer Baumwolle. Bei der Entkörnung handelt es sich um die maschinelle Trennung der Samenkapseln von den Baumwollfasern, die zur späteren Weiterverarbeitung, beispielsweise zu Textilien, genutzt werden. Fazit und Empfehlungen Usbekistan und Kasachstan machen substantielle sozio- ökonomische und politische Umstrukturierungsprozesse im Bereich der Baumwollerzeugung durch. Während in Kasachstan Investitionen in den Öl- und Gassektor im Zentrum der Aufmerksamkeit von Regierung und Unternehmen stehen, generiert Baumwolle in Usbekistan weiterhin einen bedeutenden Teil des auf Exporten basierenden Staatseinkommens. Folgerichtig wurde die Kontrolle der Regierung über den Baumwollsektor in Kasachstan zum großen Teil beseitigt, in Usbekistan aber mit Hilfe des staatlichen Ankaufsystems beibehalten. Anstelle marktwirtschaftlicher Anreizsysteme zur Regulierung der Produktion existiert ein Staatsplan für Baumwolle (und Weizen), der vorschreibt, was, wo, wie und wann angebaut wird (z. B. wann und wie bewässert wird), und der festsetzt, dass Rohmaterial ausschließ- lich und zu festgesetzten Preisen an den Staat verkauft wird. Solange zentralisierte staatliche Macht in Usbekistan dominierend bleibt, sind den landwirtschaftlichen Produzenten durch das staatliche Aufkaufsystem die Hände gebunden – trotz der teilweisen Privatisierung der Landwirtschaft. Viele Dienstleister und die meisten staatlichen Organisationen auf Gebiets- und Bezirksebene fungieren als Instrumente staatlicher Regulierung und Kontrolle, ebenso wie die Anreizstrukturen, die die landwirtschaftliche Produktion erleichtern und steigern sollen. Daher wird sich auch die Situation der Dienstleister wie die der Bauern nicht fundamental ver- ändern, so lange der rechtlich vorgeschriebene Verkauf an den Staat zu Festpreisen besteht. Auf der Grundlage der Analyse des Baumwollsektors in Usbekistan und Kasachstan können in verkürzter Form folgende Empfehlungen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Baumwollerzeugung in beiden Ländern ausgesprochen werden. (a) In beiden Ländern sollten substantielle Maßnahmen zur Professionalisierung und zum Kapazitätsaufbau der Bauern eingeleitet werden, einschließlich der Förderung unabhängiger Bauernvereinigungen, die auch die Kommunikation zwischen landwirtschaftlichen Produzenten und Staat erleichtern könnten. (b) Baumwollmonokultur sollte, wo weiterhin praktiziert, durch Fruchtwechsel ersetzt werden, und (c) die Weiterverarbeitung der Baumwolle vor Ort muss gefördert werden. Speziell für Usbekistan empfehlen wir Folgendes: Staatliche Einmischung in die Angelegenheiten der Bauern sollte auf ein Minimum beschränkt und ihnen mehr Entscheidungsrechte – auch in Bezug auf den Verkauf ihrer Baumwollernten – zugebilligt werden. Angesichts der Tatsache, dass viele Bauern nur wenig Erfahrung in der Führung unabhängiger landwirtschaftlicher Betriebe haben und noch weniger Kenntnisse in Buchführung, sollte entweder das Steuersystem wesentlich vereinfacht werden oder die Bauern sollten die nötige Unterstützung erhalten (z. B. durch Beratungsleistungen). Es ist notwendig, die Monopole, z. B. in der Baumwollweiterverarbeitung, zu beseitigen und den Wettbewerb unter den Anbietern von Dienstleistungen zu fördern. Das private System der Bereitstellung landwirtschaftlicher Dienste, wie es in Kasachstan existiert, könnte Usbekistan dabei als Beispiel dienen. Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung, wenn man, wie in Kirgistan und Tadschikistan, Serviceleistungen mit Beratung verknüpft. Transaktionen zwischen Bauern und ländlichen Dienstleistungsorganisationen sollten strikt auf rein vertraglicher Basis ablaufen und nicht auf informellen Beziehungen beruhen, wie sie jetzt in diesem System vorherrschen. Um die landwirtschaftliche Produktion zu entwickeln, brauchen Erzeuger wie auch Anbieter landwirtschaftlicher Dienste Fortbildung. Dabei müsste beispielsweise vermittelt werden, wie man in einem sich wandelnden und zunehmend marktorientierten Umfeld einen Betrieb führt, wie man mit Finanzdokumentation und Buchhaltung zurechtkommt, wie man einen Kredit von der Bank erhält, wie man von staatlichen Anreizsystemen profitiert und wie man für Geberorganisationen attraktiv wird, die Kleinbetriebe und Privatinitiativen unterstützen. Es ist nötig, alte Kanäle der Übermittlung von landwirtschaftlichem Wissen zu verbessern und neue zu etablieren sowie Innovationen in der Produktion und den Erfahrungsaustausch zu optimieren. Viele Bauern haben heutzutage Wege gefunden, sich an die Herausforderungen der politischen und wirtschaftlichen Transformation anzupassen. Die Etablierung von Beratungsdiensten wäre hilfreich, um den Bedürfnissen unterschiedlicher Typen von Bauern entgegen zu kommen. Neben anderen Dienstleistungen könnten sie Beratungsgespräche anbieten, Bauern mit Düngemittel- und Saatgutlieferanten in Kontakt bringen, über Absatzmöglichkeiten informieren etc. Alles in allem sollte sich eine ähnliche Entwicklung wie im benachbarten Kasachstan vollziehen, d. h., günstige Bedingungen geschaffen werden, unter denen unterschiedliche Modelle der Baumwollerzeugung koexistieren können. Aus dem Englischen von Brigitte Heuer Informationen über die Autorinnen und Lesetipps finden Sie auf der nächsten Seite.