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Zum Tee in die Moschee

Es ist ein Ort, der ganz dem Klischeebild der Märchenwelt von «Tausendundeiner Nacht» zu entsprechen scheint. Grausame Despoten gab es einst auch hier – Chiwa war lange berüchtigt als Stützpunkt von Menschenhändlern. Heute wird Geld nicht mehr mit Sklaven gemacht, sondern vor allem mit Touristen. Doch an diesem kühlen Morgen ist deren Zahl überschaubar. Auf dem Basar, wo ein Bauer mit Stoppelbart und Tjubeteika, der traditionellen Kopfbedeckung der Usbeken, eingelagerte Granatäpfel vom Vorjahr verkauft, sind wir die einzigen Fremden. Und in einer zur Teestube umgewandelten früheren Moschee ist sonst niemand. Die herzliche Wirtin der Tschaichana bringt Ingwer- und Safrantee, dazu Kandiszucker, mit Sesam überzogene Erdnüsse und Halwa, die süsse Spezialität, die ihren Weg über die Seidenstrasse von Zentralasien bis in den Mittelmeerraum gefunden hat.

Bis heute übt die Seidenstrasse eine eigentümliche Faszination aus, auch wenn an die Stelle von Karawanen längst motorisierte Fahrzeuge getreten sind. Chiwa, Buchara und Samarkand: Der Klang der Namen dieser uralten Handelsstädte weckt Fernweh und Sehnsüchte. Dabei war es nie einfacher als heute, diese Orte im Innern Asiens zu bereisen. Seit dem Untergang der Sowjetunion und der Entstehung eines unabhängigen Staats Usbekistan ist einiges in die touristische Infrastruktur investiert worden. Und vom Klima der Repression, unter dem usbekische Regimekritiker leiden, spürt man als Besucher in der Regel nichts.

image001 Einer der ersten Briten, die im 19. Jahrhundert in die geheimnisumwitterte Region zwischen den Flüssen Syr Darja und Amu Darja vorstiessen, musste seinen Wagemut bitter bezahlen: Der Emir von Buchara liess den Diplomaten Charles Stoddart in einen Schacht voll Ungeziefer werfen und nach vierjähriger qualvoller Gefangenschaft öffentlich enthaupten. Wir hingegen werden in Buchara überaus gastfreundlich empfangen, mit einem dampfenden Plow, dem aus Reis, Lammfleisch und fein geschnittenen Karotten zubereiteten Nationalgericht.

Die Unterkunft erweist sich als Glücksfall: ein zum Hotel umgebautes einstiges Herrschaftshaus innerhalb der alten Stadtmauern. Von der Dachterrasse blicken wir auf eine unvergleichliche Silhouette am Nachthimmel: Direkt vor uns erhebt sich das wuchtige Portal zur Medresse Mir-i Arab, zu Sowjetzeiten die einzige islamische Hochschule des Landes. Daneben ragt das reich verzierte Kalan-Minarett empor, das in den letzten 900 Jahren dem Ansturm der Mongolen und usbekischer Reiterhorden ebenso standgehalten hat wie später den Kanonenschüssen sowjetischer Truppen.

Die einzigen Touristen, die sich anderntags vor diesen Monumenten scharen, sind eine Gruppe gut gelaunter Ausflügler, Lehrer aus dem Süden Usbekistans. Auch für sie ist es ein Besuch in einer fremdartigen Welt, denn in Buchara spricht man mehrheitlich nicht das zu den Turksprachen zählende Usbekisch, sondern Tadschikisch, ein mit dem Persischen eng verwandtes Idiom. Dieses geht zurück auf die Zeit der persischen Hochkultur vor tausend Jahren, als in Buchara Gelehrte wie der Mediziner und Philosoph Avicenna wirkten und Dichter wie Rudaki die Literatur bereicherten.

Es illustriert auch die willkürliche Grenzziehung in der Stalin-Zeit, als Buchara trotz seiner tadschikischen Bevölkerung der usbekischen statt der tadschikischen Sowjetrepublik zugeschlagen wurde. Seit dem Zerfall der Sowjetunion fühlt sich das benachbarte Tadschikistan von seinen kulturellen Wurzeln in Buchara abgeschnitten. Eine der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten Bucharas, das 1100 Jahre alte Samaniden-Mausoleum, schmückt tadschikische Banknoten. Und nach dem hier begrabenen persischen Herrscher Ismail Somoni hat Tadschikistan seinen höchsten Berg benannt (den früheren Pik Kommunisma im Pamirgebirge).

Gut zu wissen

Anreise: Mehrere grosse Airlines fliegen die usbekische Hauptstadt Taschkent an, unter anderem via Frankfurt, Istanbul und Moskau. Es besteht eine Visumspflicht. Da Usbekistan über keine diplomatische Vertretung in der Schweiz verfügt, ist das Konsulat in Berlin für die Visaerteilung zuständig.
Beste Reisezeit: Zentralasien ist von einem extrem kontinentalen Klima geprägt, mit kalten Wintern und sommerlichen Höchsttemperaturen von durchschnittlich 30 bis 35 Grad in Taschkent. Die beste Reisezeit ist daher April/Mai sowie September/Oktober.
Kommunikation: Englisch wird in Usbekistan kaum verstanden, auch das früher im Schulunterricht obligatorische Russisch hat stark an Bedeutung verloren. Ein paar Brocken Usbekisch und die Kenntnis des kyrillischen Alphabets sind für Individualreisende daher von grossem Vorteil. Seit Anfang des Jahrhunderts hat Usbekistan zwar schrittweise die lateinische Schrift eingeführt, aber es werden beide Alphabete nebeneinander verwendet.
Politische Lage: Anders als die arabische Welt sind die ehemals sowjetischen Republiken Zentralasiens in den letzten fünf Jahren von blutigen Unruhen und grossen Terroranschlägen verschont geblieben. Wie das Schweizer Aussendepartement in seinen Reisehinweisen schreibt, herrscht im mehrheitlich muslimischen Usbekistan vordergründig Ruhe, doch bestehen gewisse politische Spannungen. Anschläge können nicht ausgeschlossen werden. – Mit dem Tod des langjährigen Diktators Islam Karimow im September kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit zu einem Wechsel an der Spitze des Landes. Dies sorgt für Unruhe hinter den Kulissen, doch haben sich die wichtigsten Kräfte innerhalb des Regimes offenbar arrangiert und ermöglichen einen reibungslosen Übergang der Macht.
Reiseveranstalter: Die hier beschriebene Reise wurde unterstützt durch das auf Osteuropa und Asien spezialisierte Aargauer Unternehmen Kira Reisen. Das volle Programm mit dem Sonderzug dauert 14 Tage, beginnt in Aschchabad in Turkmenistan, führt durch Usbekistan und endet in Almaty in Kasachstan.

Der Zauber von Samarkand

Auch Usbekistan hat nach der Unabhängigkeit Orientierung in der Geschichte gesucht, nach Symbolen für Macht und nationale Grösse. Einen mythischen «Stammvater» fand es im turkmongolischen Herrscher Timur (Tamerlan), der im 14. Jahrhundert mit brutaler Gewalt ein Grossreich von Zentralasien bis an den Persischen Golf und nach Indien aufbaute. Dass Timur aber auch ein grosser Förderer der Künste war, erleben wir in Samarkand, der dritten Station der Reise. Aus allen Teilen seines Reiches holte Timur Architekten und Kunsthandwerker nach Samarkand, seiner Hauptstadt.

Hier liegt er begraben, unter der mit viel Gold ausgeschmückten Kuppel des Mausoleums Gur Emir. Hier gaben seine Nachfolger auch den Anstoss zum Bau eines der imposantesten Plätze der Welt – des Registan. Nicht eine, sondern gleich drei riesige Medressen gruppieren sich um den Platz. Das zum Unesco-Weltkulturerbe zählende Ensemble erschlägt einen mit seiner Monumentalität im ersten Augenblick fast. Angesichts der türkisfarbenen Kuppeln, der über 30 Meter hohen Minarette und der gigantischen Eingangsportale kommen wir uns wie Winzlinge vor. Erst nach und nach erfasst man den Reichtum der Details – etwa die Kalligrafien an den Fassaden oder die in verschiedenen Blautönen gehaltenen glasierten Ziegel, deren strenge geometrische Muster sich als stilisierte Schriftzeichen entpuppen. Ihre zahllosen Variationen dienen alle demselben Zweck: die Grösse des Einen, des Allmächtigen zu preisen.

image002 Das Islam-Chodscha-Minarett wirft seinen Schatten über die historische Wüstenstadt Chiwa mit ihren Moscheen und Koranschulen. (Bild: D. Renckhoff / Alamy / Mauritius)

Trotz der Pracht verlassen wir den Registan mit gemischten Gefühlen. Fast zu perfekt haben die sowjetischen und usbekischen Denkmalpfleger die Anlage rekonstruiert. Was von den Majoliken und Mosaiken alt ist und was nur eine neue Ergänzung, ist nicht zu erkennen. Auch hat der Ort den Charakter eines wild-orientalischen Marktplatzes verloren und eine etwas sterile Atmosphäre erhalten. Viel lebendiger geht es auf dem Sijab-Basar zu und her, dem grössten Lebensmittelmarkt Samarkands. Hier türmen sich Berge von Nan, dem goldglänzenden usbekischen Fladenbrot, es duftet nach orientalischen Gewürzen, und Frauen in blumig gemusterten langen Kleidern werben für ihre Waren.

Samarkand ist weit mehr als nur eine museale Kulisse, eine Erinnerung an vergangene Grösse. Es ist auch ein Ort, der lebt und mitten in der Gegenwart verankert ist – einer Gegenwart, in der sich muslimische, heidnische, sowjetische und neuere Traditionen vermischen. Das wird beim Spaziergang durch die nahe gelegene Gräberstätte Shah-i Sinda deutlich, die für die Usbeken ihre spirituelle Bedeutung bis heute bewahrt hat. Jahrhundertealte Pracht entfaltet sich auch hier; reich ornamentierte Mausoleen zeugen vom Wettstreit der timuridischen Baumeister, den Toten ewigen Nachruhm zu erhalten. Und dies ist ihnen gelungen: Busladungen von Besuchern strömen in die Nekropole – nicht von ausländischen Touristen, sondern von usbekischen Pilgern, die hier Andacht halten.

Auch eine elegante junge Frau mit schwarzer Lederjacke, blutrotem Kopftuch und ebenso blutroten engen Hosen kommt an. Sie bringt ein Huhn als Opfergabe mit und bittet den Imam, Samaradin Mirsajew, ein Gebet zu sprechen: Ihr Kinderwunsch möge endlich in Erfüllung gehen. Der Gehilfe des Geistlichen verschwindet mit dem Huhn, in der Hand hält er bereits das Messer. Derweil rezitiert der in einen langen Chalat gehüllte Imam einige Koransuren und nickt wohlwollend, als auch noch eine Geldspende im Almosen-Kästchen landet. Danach geht die Frau von Mausoleum zu Mausoleum, hält überall kurz zum Gebet inne und eilt dann weiter – damit auch keiner der heiligen Orte vergessen bleibt.

Früh heiraten oder wegziehen

Auch Balosa Orinbasarowa erhofft sich eine glückliche Zukunft, aber auf Allah allein will sie nicht setzen. Wir treffen die 17-jährige Usbekin 300 Kilometer weiter nordwestlich, mitten in der Kysylkum, der «roten Wüste». Am Rande eines Salzsees, beim Dorf Karakatta, unterbricht unser Zug überraschend für eine gute Stunde seine Fahrt. Die aus zwei Dutzend Häusern bestehende Siedlung dient einzig der technischen Versorgung der Eisenbahn, ein einsamer Aussenposten irgendwo in der Leere zwischen Tienschan-Gebirge und Kaspischem Meer.

Berufschancen gibt es hier ausserhalb des Bahnwesens kaum. Frauen werden auf dem Land früh verheiratet, ab 18 Jahren ist es Zeit; danach stehen sie unter dem Diktat ihrer Schwiegereltern. Doch Orinbasarowa will keine solche eilig arrangierte Ehe, wie sie selbstbewusst erklärt, während wir auf Kissen am Boden ihres Wohnzimmers sitzen und an einem traditionellen usbekischen Snack knabbern – harten Bällchen aus getrocknetem Ziegenmilchjoghurt. Zuerst möchte sie ihren Informatiklehrgang abschliessen und sich dann in der 160 Kilometer entfernten Provinzhauptstadt zur Lehrerin ausbilden lassen.

Es wäre ein grosser Sprung aus der Armut von Karakatta. Ob er wohl gelingt? Die Frage bleibt im Kopf hängen, während sich der Zug wieder in Bewegung setzt. Dem Gleis entlang wachsen nur einige Tamarisken, die in der trockenen, salzhaltigen Erde zu überleben vermögen. Im Abendlicht macht die Wüste ihrem Namen alle Ehre; rötlich schimmern die Hügel am Horizont. Dann verschwindet Karakatta aus dem Blick.

Auf Schienen über alte Karawanenrouten

  1. A. R. - Seit der Antike erfüllt Zentralasien eine wichtige Brückenfunktion im Handel zwischen China und Europa. Die menschenleeren Wüsten und Steppen zwischen Kaspischem Meer und Tienschan-Gebirge stellten einst ein riesiges Hindernis für die Kaufleute dar, doch mit den Jahrhunderten bildete sich ein Geflecht von Karawanenrouten heraus, für das sich später der Name Seidenstrasse einbürgerte. Über sie gelangten nicht nur Handelsgüter, sondern auch Ideen und kulturelle Errungenschaften von Ost nach West und umgekehrt.
    Wer Zentralasien heute bereist, bewegt sich oft auf denselben Wegen wie die mittelalterlichen Karawanenführer. Auch die Eisenbahnlinien, die nach der Eingliederung ins Zarenreich und in der Sowjetzeit gebaut wurden, folgen meist diesen Routen. Eine Reise per Zug hat den Vorteil, dass sie eine Vorstellung von den enormen Distanzen zwischen den einzelnen Oasenstädten gibt – und von den Einöden dazwischen. In gemütlichem Tempo, oft kommt der Zug nur mit etwa 50 Kilometern pro Stunde voran, lässt man die Landschaft an sich vorüberziehen. Ab und zu taucht ein Dorf auf, mit ärmlichen Gehöften und Lehmmauern. Nachts wiegt einen das Schaukeln der gut gefederten Wagen in den Schlaf, während der Takt der Fahrgeräusche, das regelmässige «Tä-däm-tä-däm», einen noch im Traum begleitet.
    Die Fahrt mit einem Sonderzug wie dem Registan, den der deutsche Veranstalter Lernidee betreibt, bringt den zusätzlichen Komfort, dass man damit eine fahrende Unterkunft erhält und nicht ständig das Hotel wechseln muss. Der Registan verfügt über modernisierte Wagen sowjetischer Bauart. In den oberen Kategorien haben die Abteile eigene Duschen und Toiletten, in den einfacheren befinden sich diese am Ende des Ganges. Eine 14-köpfige Küchenmannschaft sorgt für das leibliche Wohl, mit einer Mischung aus russischen und zentralasiatischen Gerichten. Sie werden im Speisewagen serviert, der wie alle Wagen mit orientalischem Dekor ausgestaltet ist. Auch eine Degustation verschiedener Wodkas darf nicht fehlen – wir befinden uns in Usbekistan eben nicht in einem strikt islamischen Land, sondern im Einflussbereich Russlands. Dazu gehört die schöne Tradition, dass einem der Zugbegleiter jederzeit einen heissen Tee aus dem Samowar ins Abteil bringt.

Taschkent (gtai) - Die usbekische Regierung hat den Ausbau und die Modernisierung der Nahrungsmittelwirtschaft zu einer ihrer wirtschaftspolitischen Prioritäten erklärt. Die Umsetzung von 2012 und 2013 verabschiedeten Programmen für die Erneuerung und den Ausbau der Kapazitäten bietet ausländischen Ausrüstungslieferanten zahlreiche Lieferchancen. Das Schwergewicht der Investitionen liegt auf der Schaffung neuer kleinerer Fabriken für die Verarbeitung von Agrarerzeugnissen.